Entstehungsgeschichte:
Eine neue Konstruktion ist die P-3 ORION allerdings nicht. Ihre Geschichte reicht bis in das Jahr 1957 zurück. Die US-NAVY forderte damals ein Nachfolgemuster für den in die Jahre gekommenen Fernaufklärer und U-Boot-Jäger Lockheed P-2 Neptun. Folgende Eckpunkte wurden für die Entwicklung aufgestellt: Die neue Maschine sollte mehr Platz bieten, eine größere Reichweite haben sowie eine längere Stehzeit im Einsatzgebiet. Zudem sollte es nur eine zeitlich kurze Entwicklungsphase geben und ein geringer Systempreis ermöglicht werden. Die Flugzeugindustrie konnte diese Forderungen nur im Rückgriff auf bereits existierende Flugzeugdesigns aus der zivilen Luftfahrt realisieren. Die Firma Lockheed brachte ihren Vorschlag für das neue Maritime Patrol Aircraft (MPA) auf der Basis der Airliners L-188A Electra ein. Diese Maschine befand sich bereits seit 1955 in der Entwicklung. Als Antrieb waren die bereits in der C-130 Hercules bewährten Allison T56-A-10W Triebwerke vorgesehen. Der Einsatz dieser Triebwerke sollte der Forderung nach schnellem Transit ins Einsatzgebiet, geringem Spritverbrauch im Tiefflug und sicheren Langsamflugeigenschaften in der U-Jagdphase sicherstellen. Nicht zuletzt die Tatsache, dass Lockheed über eine hohe Kompetenz im Bereich der Sensorik für die U-Boot-Jagd verfügte, führte zur Auftragserteilung für das neue Flugzeug.
Das zunächst unter der Bezeichnung Lockheed Model 185 geführte Projekt war aber mehr als nur eine einfache Variante der Electra. Der Rumpf wurde aus Gewichtsgründen um 2,13 m gekürzt. Die Kabine musste völlig umgestaltet werden, um die gesamte Sensorik für die geplanten Aufklärungs- und U-Jagdeinsätze einzurüsten. Ein Waffen- und Transportschacht musste im ersten Drittel des Rumpfes integriert werden. Dazu wurde dieser vor den Flächen entsprechend verlängert. Sämtliche Sichtfenster der Kabine verschwanden, dafür erhielt der Rumpf vier besonders große und nach außen gewölbte Sichtfenster für Beobachterstationen. Auch die Cockpitfenster wurden verändert. Aus sieben relativ kleinen Fenstern wurden fünf große. Diese ermöglichten eine besonders gute Sicht nach außen für die Piloten und den Bordingenieur. Das Design der Rumpfnase und des Rumpfhecks wurden modifiziert, um Radarantennen für den Voraus- und rückwärtigen Bereich einbauen zu können. Letztlich wurde der für U-Jäger so typische lange Kunststoffdom am Heck des Flugzeuges montiert. Dieser trägt den MAD-Sensor (Magnetic Anomaly Detection), der Störungen im Erdmagnetfeld feststellt, die möglicherweise durch ein U-Boot hervorgerufen werden. Unmittelbar nach Auftragserteilung an Lockheed wurde eine Electra zu Testzwecken im Bereich der Aerodynamik mit dem MAD-Dom und dem Bombenschacht versehen.
Der erste Testflug fand am 19. August 1958 unter der zivilen Registrierung N1883 statt. Am 7. Oktober 1958 erhielt Lockheed den Auftrag, diesen Testträger in den ersten Prototyp YP3V-1 umzubauen. Das Design wurde den geforderten militärischen Spezifikationen angepasst und die gesamte Sensorik in die Maschine integriert. In dieser umgerüsteten Form absolvierte das Flugzeug seinen Jungfernflug am 25. November 1959, jetzt mit der militärischen Registriernummer 148276. Erst 1965 wurde dieser erste Prototyp außer Dienst gestellt. Fast ein Jahr nach dem Erstflug des Prototyps sollte Lockheed die ersten sieben Vorserienmaschinen bauen. Sie erhielten die Bezeichnung P3V-1 und die Registriernummern 148883-148889. Im November 1960 wurde der Zusatz Orion als Name für das neue Flugzeug akzeptiert. Der Erstflug einer Vorserienmaschine fand mit einer Testcrew von Lockheed am 15. April 1961 statt. Bevor die Orion für den operativen Einsatz freigegeben wurde, durchliefen der Prototyp und die sieben Vorserienmaschinen P3V-1 ein umfangreiches Testprogramm. Dieses bezog sich auf den reinen fliegerischen Betrieb, den Einsatz der Sensorik in unterschiedlichsten Einsatzspektren und letztlich den Waffeneinsatz. Es wurde am 16.06.1962 mit der offiziellen Feststellung der operativen Einsatzfähigkeit abgeschlossen.
Für die Orion war die U-Jagd, ASW (Anti Submarine Warfare), als primäre Einsatzrolle vorgesehen. So lag auch der Ausrüstungsschwerpunkt in der ASW-Sensorik. In den ersten Versionen der P3 handelte es sich hier aber noch um Stand Alone-Lösungen; d. h., eine logische Verbindung unter den Einzelgeräten oder gar eine Verknüpfung der Einzelinformationen zu einem Datenverbund für automatisierte Auswertungen und Lageaufdatierungen fand nicht statt. Alle Einzelinformationen mussten manuell analysiert und weiterverarbeitet werden. Der damit verbundene Zeitverzug behinderte natürlich situationsangepasste schnelle Entscheidungen. Gerade im Bereich der U-Jagd war das unakzeptabel.
Mit moderner digitaler Datenaufbereitung durch leistungsfähige Computer und hohem Automatisierungsgrad im Bereich der Datenverarbeitung sollte das Gesamtsystem den taktischen Gegebenheiten angepasst und für eine große Zeitspanne leistungsfähig gehalten werden. Zu Beginn dieser sich über die gesamte Lebenszeit der P3 ständig erweiternden Update-Programme konzentrierte man sich auf die Modernisierung der U-Jagd-Sensorik und deren Datenaufbereitung. Mit der sich abzeichnenden Erweiterung des Einsatzspektrums im Überwasserbereich wurden ebenso entsprechende Update-Programme aufgelegt. Die erste Einsatzstaffel, die mit der neuen P3V-1 ausgerüstet wurde, war VP 8 aus Patuxent River, USA. Den vollen Einsatzstatus erreichte die Staffel mit insgesamt zwölf Maschinen im Oktober 1962. Kurz zuvor hatte man die Bezeichnung der Maschine von P3V-1 in P-3A geändert. Diese Bezeichnung und die folgenden abgeleiteten Serienbezeichnungen P-3B und P-3C wurden bis heute beibehalten. Kaum war die neue Maschine in die Truppe eingeführt, stand sie auch schon vor ihrer ersten Bewährungsprobe.
Die Staffeln VP 8, VP 44 und VX 1 wurden auf einer Linie zwischen den Azoren, den Bermudas und Florida positioniert, um von dort ununterbrochen Aufklärungsflüge im Rahmen der sich zuspitzenden Kuba-Krise durchzuführen. Alle Schiffsbewegungen der Sowjets auf ihrer Nordatlantikroute nach Kuba wurden lückenlos überwacht. Vor kritischem Hintergrund zwar, aber ein erfolgreicher Einstieg in das lange operative Leben der P3 Orion. Heute fliegen 20 Nationen und auch zivile Betreiber unterschiedliche Varianten der P3. Sie gilt als das vielseitigste und modernste MPA (Maritime Patrol Aircraft) im Einsatz. Gerade vor dem Hintergrund des erheblich erweiterten Fähigkeitsspektrums wird diese Maschine von einigen Betreibernationen nicht mehr als MPA bezeichnet, sondern unter dem Kürzel MMA (Maritime Multimission Aircraft).